Attraktion in Achern Mösbach. Der Demeter Bioobsthof Schindler birgt einen antiken Schatz
- 6 Nov 2024
Regio Ortenau im Gespräch mit Ehepaar Gerd und Hilde Schindler aus Mösbach.
Es ist früh morgens in Achern-Mösbach. Genauer 5:00 Uhr morgens. Die Tage werden bereits wieder kürzer und es ist noch dämmerig draußen. Gerd Schindler macht sich schnell einen Schoki, überfliegt die Tageszeitung und bereitet das Tagewerk vor. Um 6:30 stehen die Mitarbeiter auf dem Hof, dann geht es richtig los. Ob hell, ob dunkel, ob kalt oder warm, ob Wind, ob Regen oder auch Sonne, die Natur bestimmt am Biohof Schindler den Rhythmus – Tag ein Tag aus. Urlaub oder krank werden sind undenkbar.
Gerd Schindler betreibt mit seiner Frau Hilde Schindler in siebter Generation den heutigen Demeter-Hof mit Bäckerei, Café-Bistro und Dorfladen. Demeter ist, für alle, die das noch nicht wissen, das aufrichtigste und strengste Biosiegel in Deutschland und im Grunde mit der Biodynamischen Landwirtschaft die Urmutter der ganzen “Bio-Bewegung”. Bei Schindlers ist Bio eine Überzeugung und Lebenseinstellung – kein Geschäft.
Beim Hof- oder Dorfladen ist eigentlich die Bezeichnung nicht korrekt: Modern würde man es als “ländliches Eco-Shopping-Center” für biologische, nachhaltige und unverpackt Produkte bezeichnen. Rund 900 Produkte von der unverpackten Öko-Zahnbürste über Fair Handelsprodukte bis natürlich zum eigenen Obst und Gemüse oder Gebackenem. Ein Konzept, das nach unseren Recherchen, zumindest im Ortenaukreis, einzigartig ist und schon heute die Zukunft abbildet. Vielleicht haben Sie eine Idee für einen Namen, denn auch Dorfladen ist nicht ausreichend treffend.
1995 übernahm Gerd Schindler mit seiner Frau vom Großvater das alte Ökonomiegebäude mit rund einem Hektar Land. Damals wurde der Betrieb im Vollerwerb, mit etwas Vieh, Ackerbau sowie Obstbau mit Brennerei, bewirtschaftet. Im Familienstammbaum selbst steht bei sieben Generationen zurück die Berufsbezeichnungen Landwirt! Die Übergabe damals erfolgte intuitiv an die übernächste Generation – mit ein Grund, dass der Betrieb heute noch erfolgreich ist.
Gerd Schindler absolvierte vor der Übernahme eine Ausbildung zum Elektriker. Es folgen die Fachhochschulreife und die Fachschule Landwirtschaft mit dem Abschluss des staatlich geprüften Wirtschafters und Baumpflegers. Diverse Praktika bei Demeter-Betrieben gaben dann letztlich die neue Ausrichtung vor.
Die Anfangsjahre gestalteten sich nicht immer leicht. Umbauten, Modernisierung, Investitionen, Maschinen, Obstbau Anlagen u. v. m., das alles musste erst einmal “gestemmt” werden. Auch die Vermarktung der hochwertigen Erzeugnisse gestaltete sich in den Anfangsjahren schwierig. Gerds Ehefrau, Hilde Schindler-Spraul, unterstützte die erste Phase zunächst finanziell mit Ihrer Arbeit als Weberin. Seit der Geburt des ersten von drei Kindern ist sie mit im Betrieb vollumfänglich tätig. “Nebenbei” erlangt sie den Abschluss “Ländlichen Hauswirtschafterin”. Chapeau – an dieser Stelle.
Heute, rund 25 Jahre später arbeiten die beiden großen Kinder neben Ihren Ausbildungen mit im Betrieb und auch Oma Gerlinde und Opa Josef helfen noch im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Der Demeter Betrieb umfasst heute knapp 20 Hektar, die Anbauflächen sind aufgeteilt in 100 Einzelflächen. Das ist ein immenser logistischer Aufwand, sichert dafür Artenvielfalt und reduziert das Risiko von vollständigen Ernteausfällen. Schindlers beschäftigen ganzjährig einen Mitarbeiter in Vollzeit und eine Halbtagskraft. In der Erntezeit unterstützt ein fester Stamm von rund 10 bis 15 polnischen Helfern, ohne deren Hilfe die Mengen nicht möglich wären. Angebaut werden Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen, Kirschen, Quitten, Mispeln, Speisekürbisse und Ziergehölze (veredelte Weidenkätzchen und Forsythien). Deutsche Mispeln werden von einer Kollegin zu Marmelade oder Fruchtzubereitung für Joghurt verwendet.
Das restliche Obst wird möglichst vermarktet. Die Reste in der eigenen kleinen Brennerei zu Branntwein verarbeitet. Dieses „Restobst“ soll in Zukunft mehr „in Kuchen, Fruchtaufstrichen oder Desserts“ seine Verwertung finden. Es gibt eigenen Apfel und Apfel/Birnensaft.
Quitten werden teilweise zu Quittengelee verarbeitet.
Der Demeter-Hof Schindler setzt sich für den Erhalt der in den letzten Jahren verschwindenden, alten Zwetschgensorte „Bühler Frühzwetschge“, ein. Aufgrund ihrer hohen Wuchsform wurde sie im Anbau zunehmend unwirtschaftlich. Da diese Sorte viele, besonders auch geschmackliche Vorteile hat, ist es ein Anliegen, “die Bühler” zu erhalten und als Spezialität zu vermarkten.
Weidenkätzchen und Forsythien werden für Ostern geschnitten, zu Sträußen gebunden und am Markt angeboten.
In der Blütezeit werden Hummeln, Wild- und Honigbienen zur Bestäubung eingesetzt. Ältere Obstbäume werden, wo immer es geht, erhalten und auch in Neuanlagen mit integriert.
Die Vermarktung aller landwirtschaftlichen Bioerzeugnisse erfolgt Eigenregie. Leider geht noch immer ein Großteil in den überregionalen Großhandel. Weitere Teile der Ernte gehen an Direktvermarkter Vorort (Marktbeschicker, Abo-Betriebe, Naturkost-Fachgeschäfte). Hier wünscht man sich deutlich mehr neue, vorrangig “regionale” Kunden. Liebe Leser der Regio-Ortenau, bitte unbedingt weitersagen!
Auch bei der Energieversorgung denkt Familie Schindler ganzheitlich und denkt dabei an die Zukunft unserer Kinder. 100 Prozent Ökostrom (Naturstrom Grenzach-Wyhlen und EWS Schönau) und eine Fotovoltaikanlagen auf den Betriebsgebäuden mit knapp 56 kWp liefern die benötigte Energie.
Eine enge Zusammenarbeit mit dem NABU fördert Artenschutzprojekte und Wiedehopf oder Bienenfresser sind freudige Gewinner von der Weitsicht der Familie Schindler.
Am 07.07.2021 war der ökologische Neubau des Dorfladens mit Café, durch regionale Handwerker, fertiggestellt und wurde eröffnet. Weitere Arbeitsplätze wurden geschaffen. Auf 75 m² finden Sie rund 900 Produkte des täglichen Bedarfs. Ökologisch und an die Zukunft denkende Menschen finden hier ein kleines und feines Einkaufsparadies vor. Jedes Produkt kann reinen Gewissens gekauft werden. Sie verbessern die regionale Wertschöpfung und unterstützen die Vernetzung der regionalen Bio-Anbauer mit Ihrem Einkauf. In der Bäckerei gibt es an 4 Tagen frisches Brot und Brötchen sowie eine leckere Kuchen und Torten Auswahl, alles wird mit Dinkelmehl gebacken. Da bekommen auch Veganer strahlende Augen. Das Café (Bistro) mit vegetarischem Mittagstisch runden das Einkaufserlebnis ab. Schindlers sind auch beim Geschirr und Transportbehältern konsequent. Das Porzellan kommt aus der Region und ein Mehrwegsystem mit Pfandschüsseln oder Recup Becher für “to go” sind obligatorisch. Ganzheitlich eben.
Der antike Schatz:
Einzigartige Besonderheit im Sitzbereich des Dorfladens ist der, durch eine 3 cm starke Sicherheitsglasplatte, begehbare, 15 Meter tiefe und von innen beleuchtete Brunnen. Allein diese, etwa 240 Jahre alte Attraktion, ist ein Ausflug für die ganze Familie wert.
Das Café mit Innen und Außenbereich soll Einkaufsort, Ausflugsziel und Treffpunkt für Jung und Alt sein. Auch für Familien- oder Betriebsfeierlichkeiten können Sie die Räumlichkeiten auf Nachfrage nutzen. Familie Schindler freut sich über Ihren Anruf.
Es ist schon weit nach 19 Uhr und das informative Interview mit der fleißigen und redlichen Familie neigt sich dem Ende zu. Alle sind vom Tagwerk zufrieden, jedoch erschöpft.
Bei Schindlers ist der Beruf Berufung. Erdig, bodenständig und doch modern und zukunftsorientiert. Wir fragen, was “Heimat” für Sie bedeutet.
Gerd antwortet kurz und trocken: “Schauen Sie, – einmal in unserem Leben waren wir ein paar Tage im Urlaub auf Sizilien. Das ist nun 21 Jahre her. Mehr braucht man zum Thema Heimat nicht zu sagen.“
Über die griechische Muttergöttin Demeter, die für die Fruchtbarkeit der Erde zuständig ist, über die Rolle des Mondkalenders in der biodynamischen Landwirtschaft, die Erdgeister der Obstbaumwiesen oder Naturmedizin schreiben wir vielleicht beim nächsten Interview mit der liebenswerten Familie Schindler?
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