Es war einmal... Das Almosen
- 2 Aug 2024
- Katrin Bamberg - Spinnradmärchen
Vor langer Zeit lebte ein geiziger Ehemann. Er hatte eine Angewohnheit, die ihm großen Schaden zutrug, denn er verwahrte alles hinter Schloss und Riegel. Ging er aus dem Haus, so waren alle Speicher und Vorratskammern verschlossen. Die schweren Schlüssel trug er selbstverständlich bei sich.
Essen konnte erst dann zubereitet werden, wenn er zurück war. Es versteht sich, dass alle Eier, Käse und Schinken gezählt waren. So, wie es bei geizigen Menschen eben ist.
Einmal war er auf dem Weg zur Mühle, seine Frau blieb auf dem Hof zurück. Da kam ein Wanderer des Wegs und bat die Frau um ein wenig Essen und Trinken. Es war ein schöner junger Mann, gut gebaut mit sonnengebräunter Haut.
Die Frau aber klagte: „Es tut mir schrecklich leid, selbstverständlich würde ich dir gern etwas schenken. Aber mein geiziger Mann hat sämtliche Vorräte weggesperrt und die Schlüssel trägt er bei sich. Um des Allmächtigen willen würde ich euch aber trotzdem gern etwas geben.“ Sie sah ihn sich noch einmal von oben bis unten sehr genau an und sprach: „Euch würde ich meine Liebe schenken.“ – „Mit so etwas sollte man nicht scherzen.“, schmunzelte er. „Sollte das Angebot allerdings ernst gemeint sein, so will ich diese Gabe gern annehmen. Brot und Fleisch habe ich schon oft als Almosen erhalten, Liebe aber noch nie.“
Da nahm ihn die Frau bei der Hand und führte ihn in die Schlafkammer. Voller Freude legten sich die beiden in die Bettstatt, umarmten und liebkosten einander auf das Schönste. Sie küsste ihn voller Leidenschaft an allen Stellen des Körpers und sagte: „Das gebe ich dir anstelle des Brotes. Wenn es euch danach verlangt, so nehmt nun noch dazu etwas anstelle des Fleisches.“ Da liebte er sie ausführlich und mit großer Freude. Später lagen sie sich in den Armen und lächelten verzückt. Doch sie spürte, dass beider Hunger noch immer nicht gestillt war. So setzte sie sich kurzerhand auf ihn und schenkte ihm zum zweiten Mal Fleisch zum Almosen. Das empfing der Mann noch besser.
So bedankte er sich, trat vor die Tür und begegnete draußen dem Hausherrn. Dieser hörte Fürbitte und Danksagung. Sogleich lief er zu seiner Frau: „Frau, sag mir, was hast du diesem Habenichts gegeben, der eben an mir vorbei hinausging und euch so sehr dankte?“ Da gestand sie unter Tränen die Wahrheit und sprach: „Ich weiß sehr wohl, dass nur derjenige in den Himmel kommt, der Almosen spendet. Da ich ihm nichts geben konnte, als mein Liebesspiel, so gab ich das, um eure und meine Seele zu retten. Der Lohn wird uns beiden zugutekommen.“
In diesem Augenblick begriff der geizige Bauer, dass er fehl gehandelt hatte: „Wehe mir, meine liebe Frau. Du setztest deine Ehre aufs Spiel und ich bin daran schuld! Das hätte dir erspart bleiben müssen. Ab sofort wirst du diejenige sein, die alle Vorräte verwaltet. Ich weiß, dass du ein gewissenhaftes Weib bist.“
Er reichte ihr die Schlüssel zu den Scheunen und Kammern. Von nun an führten sie ein behagliches Leben und die Frau spendete Almosen, wann immer es Not tat.
Herzliche Grüße
Katrin Bamberg
Öffentliche Erzähltermine:
Freitag, 02.08.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch
Sonntag, 18.08.2024 15 Uhr, Theater der 2 Ufer - Im Zauberwäldchen
Sonntag, 25.08.2024 15 Uhr, Kloster Erlenbad - Tag der offenen Tür
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